Im richtigen Ton kann man alles sagen, im falschen Ton nichts. Das einzig Heikle daran ist, den richtigen Ton zu treffen. (G. B. Shaw)

Schulautonomer Gegenstand: 6. Klasse -  Lehrplan

„Wozu noch ein neues Fach?“, wird sich mancher Leser fragen, „unsere Lehrpläne sind ohnehin schon überfrachtet“. Dieser Einwand ist gewiss berechtigt, jedoch kommt gerade in Zeiten der Demokratie, der Meinungsfreiheit und des Pluralismus dem gesprochenen Wort eine besondere Bedeutung zu. Im Zeitalter der elektronischen Medien ist die Redekunst erneut in den Mittelpunkt gerückt; wie im alten Griechenland werden wir wieder direkte Augen- und Ohrenzeugen rednerischer Fähigkeiten. Das Radio lebt von gesprochener Sprache allein und schon so mancher Wahlkampf wurde beim Fernsehduell entschieden.

Doch auch unsere privaten, gesellschaftlichen und beruflichen Möglichkeiten werden durch unsere sprachliche Kompetenz bestimmt. Wer von uns hat noch nie die Erfahrung gemacht, dass wir unsere Gedanken nicht ausdrücken, nicht fundiert argumentieren und uns daher nicht durchsetzen können? Unsere Gespräche zeigen oft nur ein sehr spätes oder überhaupt kein Ergebnis, weil wir manchmal nicht richtig zuhören können und daher einander nicht verstehen.  Und so mancher von uns hat schon einmal seinen Auftritt vor einem größeren Publikum als peinlich und beschämend empfunden. Beruflicher Erfolg und befriedigende zwischenmenschliche Beziehungen leben aber von gelungener Kommunikation – vereinfacht definiert als der Austausch von Informationen und Botschaften zwischen zwei oder mehreren Menschen – und wer ein sicheres Gespür für die Wirkung seiner Worte hat, kann andere leichter von seinen Ideen überzeugen und kommt im kleinen wie auch im großen Kreis als Person besser an. Das eingangs angeführte Zitat veranschaulicht, wie bedeutsam, aber auch wie problematisch die Art der Übermittlung eines Inhaltes ist.

Das Wissen, wodurch mündliche Kommunikation besonders wirksam wird und wie man den Zuhörer bzw. Gesprächspartner für sich gewinnen kann, macht einen zu einem erfolgreichen Kommunikator. In der heutigen Zeit des inflationären Sprachgebrauchs ist aber nicht nur das Wissen um die Wirkung von Sprechen, sondern auch das Wissen, in welcher Situation man am besten schweigt, Goldes wert: „Sprich nur, wenn du etwas Wertvolleres zu sagen hast als dein Schweigen“ (Dionysius). Nikolaus B. Enkelmann, einer der bekanntesten Erfolgstrainer, bringt das Wesen von gelungener Kommunikation auf den Punkt: „Nicht viel zu reden, zählt, sondern das Richtige im richtigen Augenblick in der richtigen Art und Weise mit einer charismatischen Persönlichkeit vorzutragen – darauf kommt es an, wenn man Erfolg haben will“.

Für wirkungsvolle, zielgerichtete Kommunikation ist demnach ein umfassendes Sensorium erforderlich und deshalb ist es uns ein Bedürfnis, durch Information und Übung die kommunikative Leistung unserer Schülerinnen und Schüler zu fördern. Wir wollen sie dabei unterstützen, ein variables und der jeweiligen Situation sowie der Persönlichkeit des Einzelnen angemessenes Sprechverhalten zu entwickeln.

Wenn man also die Definition für Rhetorik, die Kunst des Redens, präzisiert und darunter die Lehre von der Wirkung des Menschen versteht, so ist die Verbesserung der rhetorischen und kommunikativen Fähigkeiten eine ganzheitliche Herausforderung, die neben dem sprachlichen Bereich noch viele andere, genauso wichtige Faktoren einschließt. Deshalb soll sich dieser Unterrichtsgegenstand aus verschiedenen Modulen zusammensetzen, die von den entsprechenden  Fachprofessorinnen und -professoren unterrichtet werden, denn diese Thematik ist viel zu komplex, als dass sie durch eine einzige Lehrkraft umfassend abgedeckt werden könnte. Auf diese Weise wollen wir unsere Kommunikations- und Rhetorikausbildung auf eine professionelle Basis stellen.

Denken wir an einen packenden Redner, der bei  uns einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Er  fesselte uns nicht nur durch seine überzeugenden Worte, sondern nicht minder durch seine Persönlichkeit, die ausstrahlte, was sie sagte. Er löste bei uns Zuhörern Faszination, Begeisterung und Interesse aus. An diesem Beispiel wird deutlich, dass Rhetorik- und Kommunikationstraining mehr ist als nur eine Verfeinerung der verbalen Fähigkeiten, mehr als nur eine Perfektion der sprachlichen Mittel.

Persönlichkeitsbildung

Eine gute Rede lebt von der Persönlichkeit des Redners, denn Kommunikation hat, wie Paul Watzlawick formuliert, neben dem Inhalts- einen Beziehungsaspekt, d.h. es gibt neben dem intellektuellen auch einen emotionalen Teil. Ein guter Redner spricht nicht nur den Verstand, sondern ebenso das Gefühl an, er ist gleichfalls Entertainer, der das Publikum für sich gewinnen muss. Da Kommunikation – einschließlich Rede, Vortrag und Präsentation – immer einen wechselseitigen Prozess darstellt, ist es wichtig für unsere Schülerinnen und Schüler, sich einerseits bewusst zu machen, nach welchen Gesetzen kommunikative Vorgänge ablaufen, und anderseits Strategien zu entwickeln, wie sie sich in den jeweiligen Situationen  souverän verhalten, damit nichts dem Zufall überlassen bleibt. Wer könnte eine bessere Hilfestellung beim Erkennen rhetorischer Prozesse leisten als die Psychologielehrkraft? In diesem Bereich ist es wichtig, dass unsere Jugendlichen ein Gefühl entwickeln, wie sie mit Menschen richtig umgehen, d.h. wie sie sie richtig ansprechen, um bei ihnen gut anzukommen, was aber voraussetzt, dass sie die Fähigkeit erwerben zu wissen, was in ihren Kommunikationspartnern vorgeht. Da gelungene Kommunikation – wie schon mehrfach betont – zu einem nicht unwesentlichen Teil von der Ausstrahlung abhängt, sollen unsere Schülerinnen und Schüler auch unterstützt werden, ihre Persönlichkeit positiv weiterzuentwickeln, selbstbewusster zu werden, Sprechhemmungen und -ängste abzubauen sowie Möglichkeiten finden, mit Lampenfieber, Konzentrationsmangel und Nervosität umzugehen, sodass sie  sich selbstsicher dem Publikum präsentieren.

Körpersprache

Es ist eine Tatsache, dass sich die Zuhörer schon ein Urteil über den Redner gebildet haben, bevor er noch ein Wort gesprochen hat. Die Erscheinung, die Kleidung, die Art und Weise, wie er die Bühne betritt, die Haltung, der Gesichtsausdruck vermitteln ein bestimmtes Bild, wecken Erwartungen oder zerstören Illusionen. Der erste Eindruck entscheidet und der entsteht in nur sieben Sekunden! Später geben der Klang der Stimme, die Art der Mimik und Gestik, die Sicherheit, mit der der Redner agiert, dem Gesamtbild noch weitere wichtige Facetten. Da diese nonverbalen Signale oft das Gesagte schlagen - nach wissenschaftlichen Untersuchungen werden 68 Prozent über den körperlichen Ausdruck wahrgenommen - wollen wir auf die Körpersprache ein besonderes Augenmerk legen. Niemand anderer als ein(e) Sportprofessor/in könnte unsere Jugendlichen dabei besser unterstützen, sich selbst wahrzunehmen und ihre körperlichen Signale zu steuern. Es soll bewusst gemacht werden, welchen Eindruck wir den Zuhörern durch die Haltung unserer Arme und Hände vermitteln, wie die Augen, der Mund, der Händedruck und die Körperhaltung unsere geistige Einstellung verraten, was die Füße und Beine über unser Unterbewusstsein und unsere Standfestigkeit sowie der Gang über unser Lebensgefühl preisgeben.

Stimm- und Atemtraining

Durch nichts offenbaren wir unser Innerstes allerdings mehr als durch unsere Stimme - sie ist unsere Visitenkarte. Ihr Klang verrät, ob wir ruhig und selbstsicher oder nervös und unsicher sind, ob wir uns gut oder schlecht fühlen, ob wir von dem, was wir sagen, tatsächlich überzeugt sind. Es ist auch hauptsächlich der Klang der Stimme, der darüber entscheidet, ob wir Anklang finden, ob wir als sympathisch empfunden werden oder nicht. In dem Modul Stimm- und Atemtraining, durchgeführt von einer Lehrkraft für Musik, lernen unsere Schülerinnen und Schüler, ihre Inhalte in ansprechender Form zu transportieren: angenehm im Ton, sauber in der Aussprache, melodisch in der Stimmführung, abwechslungsreich in der Lautstärke, rhythmisch durch gekonnte Pausen, spannend durch klare Betonung, überzeugend durch Stimmfestigkeit, mühelos verständlich durch Dialektfreiheit. In der Zeitschrift GEO 12/1998 wurde belegt, dass Stimmbildung nicht nur die Stimme verbessert, sondern dass sich gleichzeitig der Mensch innerlich weiterentwickelt.  Sprechtechnische Übungen gehen Hand in Hand mit der Erweiterung der eigenen Ausdrucksfähigkeit und somit ist die Entfaltung des eigenen Sprechpotentials mit geistig-seelischer Reifung verbunden.

In diesem Punkt wird wiederum die Komplexität des Unterrichtsgegenstandes Rhetorik und Kommunikation deutlich. Somit spannt sich der Bogen weiter zu den Deutschlehrerinnen und -lehrern.

Präsentation, Vortrag, Rede

In diesem Modul sollen die Schülerinnen und Schüler die Wirkung des gesprochenen Wortes erproben. Abgesehen von den Methoden der Stoffsammlung, der Erstellung von Konzepten sowie dem Bewusstmachen der Strategien zur Meinungsbildung und zum Meinungswechsel gilt es in erster Linie, sie mit den Kriterien für die Verständlichkeit von gesprochenen Texten vertraut zu machen. Ob es uns gelingt, das Interesse unserer Zuhörer zu wecken und ihre Aufmerksamkeit zu erhalten, hängt in hohem Maße von der inhaltlichen Struktur des Textes, dem Aufbau von Spannung, der Zeiteinteilung, der Einfachheit, Bildhaftigkeit und Konkretheit des sprachlichen Ausdrucks sowie vom Einsatz rhetorischer Figuren und visueller Hilfsmittel ab.

Visualisierung

Dieser Aspekt fällt in den Kompetenzbereich der Lehrkraft für Bildnerische Erziehung und darf  in seiner Bedeutung nicht unterschätzt werden, denn genauso wie eine geschickte Präsentationstechnik einen Vortrag aufwertet, so kann eine unzulängliche ihn völlig zerstören.

Bei allen Reflexionen über die wirkungsvolle „Verpackung“ darf der Inhalt selbst jedoch nicht vergessen werden. Wir werden nur mitreißend sprechen, wenn wir uns auch mit der Sache identifizieren, oder wie es Augustus treffender formuliert hat: „In dir muss brennen, was du im anderen entzünden willst“.

Gespräch, Diskussion, Debatte

Häufiger als mit den monologisch-darbietenden Formen der gesprochenen Sprache ist man im täglichen Leben mit den dialogisch-austauschenden konfrontiert. Unsere Schülerinnen und Schüler sollen deshalb in Rollenspielen mit Argumentationsstrategien sowie mit den Grundlagen der Gesprächsführung vertraut werden. Sie sollen erfahren, wie im kooperativen Miteinander-Sprechen für alle akzeptable Lösungen gefunden werden. Doch genau das ist nicht immer leicht und scheitert häufig am Verstehen und Verstandenwerden. Daher sollen sie unterschiedliche Fragetechniken kennen lernen und non-direktives Gesprächsverhalten üben. Damit ist gemeint, dass man sich in bestimmten Gesprächsphasen ganz auf die Äußerungen des Partners konzentriert, beispielsweise durch aktives Zuhören, Paraphrasieren seiner Äußerungen sowie Ansprechen der Beziehungs- und Gefühlsebene, sodass es ihm gelingt, seine Vorstellungen, Motive, Absichten und dergleichen leichter zu artikulieren. Dieser Teil des Kommunikationstrainings gehört in das Aufgabengebiet der Schulmediatorin.

Wir sehen also, dass wirkungsvolles Sprechen  das Zusammenspiel vieler Details ist. Aus diesem Grund haben wir als Abschluss auch eine Zusammenführung aller Module geplant, d.h. jede Schülerin und jeder Schüler präsentiert sich in einer Form der sprachlichen Darbietung vor einem Publikum und erhält von der Jury, bestehend aus allen Lehrkräften, welche die verschiedenen Module unterrichten, ein Feedback.

Zum Schluss sei noch eine Selbstverständlichkeit erwähnt: Grundlegende Voraussetzung für gelungene Kommunikation sind der Wille, sich auf seinen Kommunikationspartner einzulassen, die Achtung vor seiner Meinung und die Wertschätzung seiner Persönlichkeit – und um diese Komponenten bemühen wir uns nicht nur im Rhetorik- und Kommunikationstraining, sondern ganz allgemein im täglichen schulischen Zusammenleben.

Mag. Heidi Burger-Ringer